Von Hunden kennen wir das, wir sagen “bei Fuß”, “Sitz” oder “Platz” und unser vierbeiniger Freund befolgt unsere Anweisung – zumindest sofern er darauf trainiert wurde. Klassische Konditionierung nennt man jene Form des Anlernens mit dem Ziel ein erwartetes Verhalten zu erzeugen. Wäre es nicht praktisch, wenn es ein ähnliches Werkzeug gäbe, dass auch bei Menschen ein erwartetes Verhalten erzeugen könnte?

Wenn wir uns einmal die Mühe machen und unseren Alltag bewusster beobachten, werden wir feststellen, dass dies Tag ein Tag aus längst in unser aller Umfeld geschieht. Unbewusst werden wir nahezu täglich von unserem Freundes- und Bekanntenkreis gesteuert – dabei können diese in 99,9% der Fälle nichts dafür. Beispiele gefällig: Sie bekommen Besuch und Ihr Gast sagt Ihnen, dass Ihre Wohnung so sauber ist, dass dort vom Fußboden gegessen werden kann. Oder wenn Ihnen jemand sagt, dass Sie immer so gut aussehen oder so stylisch angezogen seien.

Klingt nach ganz normalen Alltags-Floskeln, was aber soll daran bedenklich sein? Die genannten Aussagen sind sicher als Lob gemeint, verleiten jedoch den Empfänger des Kompliments dazu, in Zukunft stärker die gelobte Eigenschaft wahr zu nehmen. Das liegt daran, dass jeder Mensch nach Lob und Anerkennung lechzt: Macht uns jemand ein Kompliment, hören wir ganz genau hin und erfreuen uns darüber. Eine typische menschlichen Eigenschaft, die so alt ist wie die Menschheit.

Die Folge wird sein, dass beispielsweise Menschen, die ihre Wohnung mühevoll aufgeräumt haben und dafür gelobt werden, zukünftig mehr darauf achten, dass ihre Wohnung ordentlich ist – zumindest wenn jener Mensch zu Besuch kommt, aus dessem Munde das Kompliment stammt. Wenn der für seine Ordentlichkeit gelobte Mensch diesbezüglich häufiger Komplimente erhält, wird er die Wohnung womöglich zukünftig bei jedem Besuch aufräumen und es wird im Laufe der Zeit zu seiner Gewohnheit. Oder jener, der wegen seines stylischen Outfits gelobt wird, wird sich seines guten Geschmacks bewusster, sobald er dafür lobende Worte erhält.

„Lob ist ein Mittel einen Menschen dahin zu bringen, dass er es verdient“ (unbekannt)

Durch die bewusstere Wahrnehmung jener Eigenschaften entwickeln sich im Laufe des Lebens Persönlichkeitsmerkmale, die durch die Aussagen unseres Freundes- und Bekanntenkreis gefördert werden – ob wir es wollen oder nicht! Das Geheimnis dieser Eigendynamik liegt in unserem Selbstbild. Wenn unser Selbstbild (so wie wir uns sehen) und unser Fremdbild (so wie wir denken, dass andere uns sehen) nicht übereinstimmen, würden jene sogenannten Verstärkungseffekte nicht funktionieren.

Ein Beispiel aus der Praxis: Neulich war ich im Restaurant, als ein Gast als Vorspeise Zwiebelsuppe bestellte. Dies tat er mit folgenden Worten: “Bitte die Zwiebelsuppe wieder mit so viel Käse überbacken, wie beim letzten Mal. Das war sehr lecker!” Dazu muss man sagen, dass in jenem Restaurant an dem besagten Tag der Koch aus Personalmangel auch die Bestellungen entgegen nahm.

Die Reaktion blieb nicht aus: Der Gast bekam seine Zwiebelsuppe mit mehr Käse überbacken, als er zu träumen wagte – und das obwohl er hinterher seinen Kollegen sagte, dass er mit der Zwiebelsuppe beim letzten Restaurant-Besuch nicht zufrieden gewesen sei, da kaum Käse auf der Suppe war. Er versuche nur den Koch in die richtige Richtung zu lenken.

Der Gast hat also in dem Fall bewusst den Koch so manipuliert, dass er das gewünschte Verhalten erzeugte und dieser die Suppe mit viel Käse überbacken hatte. Dies funktionierte, da das Selbstbild und das Fremdbild des Koches übereinstimmten. Wäre der Koch sich sicher gewesen, dass er die Suppe des Gastes beim letzten Mal mit zu wenig Käse überbacken hatte, hätte es nicht funktioniert, weil Selbstbild und Fremdbild nicht übereingestimmt hätten.

Hätte der Gast sich einfach nur beschwert und die Bestellung mit den Worten “Dieses Mal bitte mehr Käse auf der Suppe als beim letzten Mal”, hätte der Koch mit einem unguten Gefühl handeln müssen und wäre sich bei der Ausführung nicht sicher gewesen, wie viel denn “mehr Käse” bedeutet.

„Ich bin bis heute dem Mann noch nicht begegnet, wie berühmt er auch sein mochte, der nicht nach einer Anerkennung besser und einsatzfreudiger gearbeitet hatte als nach einem Tadel.“
(Charles Schwab, US-amerikanischer Unternehmer)

In dem erwähnten Beispiel lobte der Gast den Koch sogar noch und ließ ihm so die Sicherheit, dass er auf die Künste des Koches vertraue. Das Beispiel zeigt, wie einfach wir Menschen in die richtige Richtung lenken können, ohne gleich Kritik zu äußern und wie leicht jeder mit Lob manipuliert werden kann.

So sind wir nicht nur “Opfer” von Manipulationen sondern können gleichzeitig auch bewusst manipulieren. Achten Sie einmal darauf, was Sie in ganz normalen Small-Talk-Gesprächen von sich geben. Oftmals sind Aussagen dabei, mit denen wir unbewusst andere beeinflussen. Der Empfänger eines Lobes achtet von jetzt an stärker auf die gelobte Eigenschaft und durch die bewusstere Wahrnehmung, wird es ihm einfacher fallen sich weiter zu entwickeln. Bei Kritik besteht die Gefahr, dass sich eine Angst vor Fehlern entwickelt und ein Fehlervermeidungsverhalten heraus kristallisiert.

Zusätzlich wird sich der Gelobte dem Lobenden gegenüber besonders anstrengen, da er ja einer der Wenigen ist, die diese Anstrengung auch wahr nehmen! So kommt dann die typische Eigendynamik ins Rollen und die Eigenschaft wird beim Gelobten durch jedes weitere Lob ausgeprägter. Der Verstärkungseffekt ist ein hervorragendes Werkzeug für Eltern, Trainer, Lehrer und Vorgesetzte, damit Kinder, Schüler und Mitarbeiter ihre Fähigkeiten weiter entwickeln können.

Doch Vorsicht ist geboten: So besteht die Gefahr, dass diese Eigendynamik auch in die falsche Richtung gehen kann, denn wenn wir andere kritisieren, müssen wir darauf achten, dass dieser Tadel nicht am Selbstbild unseres „Opfers“ nagt. Verfügt der Kritisierte über wenig Selbstbewusstsein, kann Kritik vernichtend sein und ein komplettes Selbstbild zum Einreißen bringen.


Kritik ist die Kunst zu loben. Erst da zeigt sich der kritische Meister. Der Tadel, wo er mit der Lust am Tadeln vorgebracht wird, macht einen billigen Lärm und bleibt am Ende wirkungslos.
Friedrich Luft, 1911-1990, deutscher Kulturkritker

Wenn wir uns erst einmal den Gedanken aneignen, andere könnten denken, dass wir schlecht, dumm, faul, dick oder doof sind, laufen gerade Menschen mit wenig Selbstbewusstsein Gefahr, dass sie dieses Fremdbild auf das Selbstbild übertragen.

Gerade Verallgemeinerungen wie „immer“, „stets“ oder „jedes Mal“ sind solche Risikobegriffe, die wir im Negativen Zusammenhang tunlichst vermeiden sollten, da jene Begriffe die Gefahr noch erhöhen, dass der Kritisierte dies irgendwann zu seinem Selbstbild macht und daran glaubt.

Keine guten Voraussetzungen damit beim nächsten Mal die Wohnung wieder so ordentlich aufgeräumt ist oder die Zwiebelsuppe wieder mit mehr als genug Käse überbacken ist.

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